KONTROLLIERTE RASSEHUNDEZUCHT, VERANTWORTUNG STATT QUALZUCHT

Warum kontrollierte Rassehundezucht keine Qualzucht ist
In der öffentlichen Diskussion rund um „Qualzucht“ werden kontrollierte Rassehundezuchten zunehmend pauschal kritisiert. Dabei werden fundierte Zuchtarbeit, jahrzehntelange Gesundheitsselektion und umfangreiche Tierschutzmaßnahmen häufig übersehen. Als verantwortungsbewusster Zuchtverband sehen wir es als unsere Pflicht, mit Sachlichkeit und Fakten aufzuklären – im Sinne der Hunde und ihrer Halter*innen.
Gesundheit, Funktionalität und Tierschutz stehen im Zentrum
Im Rahmen kontrollierter Zucht darf ein zur Zucht zulassender Formwert ausschließlich an gesunde Hunde vergeben werden. Bewertet wird nicht nur das rassetypische Erscheinungsbild, sondern insbesondere eine funktionale Anatomie, die im direkten Zusammenhang mit der Gesundheit der Tiere steht – beispielsweise durch bessere Beweglichkeit und geringeres Risiko für orthopädische Folgeerkrankungen.
Vor dem Zuchteinsatz sind in den uns angeschlossenen Vereinen verpflichtende Gesundheitstests vorgeschrieben, beispielhaft erwähnt seien BOAS-Test, Röntgenscreening von HD, ED, Wirbelsäule, Augenuntersuchung, PLL, sowie verschiedene DNA-Tests, jeweils individuell und sinnvoll auf die unterschiedlichen Rassen zugeschnitten.
Tierschutzauflagen in der kontrollierten Zucht
Der Schutz von Mutterhündin, Welpen und Deckrüden ist durch unsere Zuchtordnung klar geregelt: Mindestabstände zwischen Würfen, Begrenzung des Zuchteinsatzes auf ein bestimmtes Lebensalter, verpflichtende Impfungen, regelmäßige Entwurmungen, sachkundig dokumentierte Aufzuchtbedingungen sowie die fälschungssichere Kennzeichnung aller Hunde durch Mikrochip gehören zum Standard. Unsere Zuchtwarte und Tierärzt*innen kontrollieren dies regelmäßig.
Schwarzzuchten umgehen jede Kontrolle
Diese hohen Standards gelten zwar durch gesetzliche Regelungen für alle Züchter – doch außerhalb kontrollierter Strukturen ist eine Überprüfung kaum möglich. Schwarzzüchter oder sogenannte Vermehrer umgehen gezielt Gesundheitsprüfungen und Auflagen, vermarkten Hunde mit modischen, oftmals krankmachende Farben oder extremen Merkmalen – und bedienen damit eine Nachfrage, die durch Plattformen und soziale Medien weiter angeheizt wird. Die Leidtragenden sind die Hunde.
Eine aktuelle Studie zur Lebenserwartung von Hunden zeigt beispielsweise, dass der Teckel – ein oft zu Unrecht als „Qualzucht“ bezeichneter Rassehund – eine höhere mediane Lebenserwartung aufweist als die Mischlingshunde in dieser Studie. Dieses Ergebnis widerspricht der weit verbreiteten Annahme, Mischlinge seien grundsätzlich gesünder.
Ausstellungen: wichtiges Instrument, nicht Ursache des Problems
Zunehmend wird gefordert, Hundeausstellungen zu verbieten – in der Annahme, damit die Nachfrage nach bestimmten Rassen oder übertypisierten Merkmalen einzudämmen. Diese Vorstellung greift jedoch zu kurz. Rassen mit hohem Bekanntheitsgrad und großer Beliebtheit werden weiterhin nachgefragt – unabhängig davon, ob sie auf Ausstellungen gezeigt werden dürfen oder nicht. Das Verbot von Ausstellungen nimmt den kontrollierten Zuchtverbänden jedoch das einzige transparente Forum, in dem Gesundheit, Wesen und korrekte Anatomie überprüfbar, dokumentierbar und öffentlich sichtbar sind.
Ein Verbot würde somit nicht zu weniger Nachfrage führen, sondern zu weniger Kontrolle – und der Markt würde sich noch stärker in den unregulierten Bereich verlagern. Das dient nicht dem Tierschutz, sondern öffnet Schwarzzuchten und illegalem Welpenhandel Tür und Tor.
Zum Umgang mit Anlageträgern: Wissenschaft vor Aktionismus
Ein weiterer Punkt, der zunehmend diskutiert wird, ist die Forderung nach dem generellen Ausschluss klinisch gesunder Anlageträger rezessiver Erbfehler von der Zucht oder gar von Ausstellungen. Diese Forderung widerspricht dem aktuellen wissenschaftlichen Konsens.
Zunächst ist festzuhalten: Die Entdeckung vieler relevanter Defektgene war nur durch die enge Zusammenarbeit engagierter Züchter mit Wissenschaft und Labordiagnostik überhaupt möglich. Durch ihre Unterstützung konnten genetische Tests entwickelt werden, die heute breit verfügbar sind. Diese Tests bilden die Grundlage für gezielte Zuchtstrategien, um betroffene Hunde zu vermeiden – bei gleichzeitigem Erhalt der genetischen Vielfalt.
Der Forderung nach einem generellen Zuchtausschluss von Anlageträgern liegt die irrige Vorstellung zugrunde, es gäbe Lebewesen, die völlig frei von genetischen Defektanlagen seien. Je intensiver geforscht wird, desto mehr genetische Varianten werden entdeckt – nicht, weil Rassehunde „kränker“ wären, sondern weil sie durch dokumentierte Abstammung und Züchterengagement besonders zugänglich für wissenschaftliche Untersuchungen sind. Es ist ein Paradox, dass ausgerechnet die Transparenz und Gesundheitsarbeit verantwortungsvoller Züchter nun gegen sie ausgelegt wird.
Die Entwicklung solcher Strategien erfolgt im VDH unter wissenschaftlicher Begleitung nach einem strukturierten Stufenplan. Dabei wird die tatsächliche Verbreitung der Defektgene berücksichtigt. Ziel ist stets die sichere Vermeidung klinisch betroffener Tiere (Merkmalsträger) – nicht der Ausschluss gesunder Trägertiere, der langfristig zur Verarmung des Genpools führen würde.
In der Fachliteratur wird ausdrücklich empfohlen, Trägertiere nicht pauschal von der Zucht auszuschließen, sondern ihre gezielte Verpaarung mit getesteten, freien Partnern zu ermöglichen. Nur so kann die Balance zwischen Tierschutz und genetischer Nachhaltigkeit gewährleistet werden.
Der oft vorgebrachte Einwand, Trägertiere könnten „in falsche Hände“ geraten und dann mit anderen Trägertieren verpaart werden, ist aus unserer Sicht eine Abwälzung der behördlichen Verantwortung. Es ist Aufgabe der zuständigen Behörden, gegen illegale oder tierschutzwidrige Zuchtpraktiken außerhalb der kontrollierten Strukturen wirksam vorzugehen – nicht Aufgabe der seriösen Züchter, präventiv für deren Fehlverhalten haftbar gemacht zu werden.
Zusammenarbeit statt Konfrontation
Die Lösung für gesundheitliche Probleme im Zusammenhang mit Extremzucht liegt nicht im Verbot kontrollierter Zucht, sondern in ihrer gezielten Weiterentwicklung. Diese ist nur möglich durch Zusammenarbeit zwischen Zuchtverbänden, Tierärzt*innen, Genetiker*innen, Forschung und Behörden. Wir stehen für offene Kommunikation und fachlich fundierte, praxisnahe Lösungen – im Sinne des Tierwohls.
Züchter\*innen in kontrollierten Strukturen sind keine Gegner des Tierschutzes. Sie sind seine wichtigsten Partner, wenn es um die gesunde Zukunft unserer Hunde geht. Pauschale Verbote gefährden nicht nur jahrzehntelange Zuchtarbeit, sondern stärken jene, die sich um das Wohl der Hunde am wenigsten kümmern.
Welle, M., Distl, O. (2010). Die Bedeutung der Anatomie für die funktionelle Gesundheit des Hundes. Tierärztliche Praxis Kleintiere. ↩
O’Neill, D.G. et al. (2024). Life expectancy of companion dogs in the UK. Scientific Reports. https://doi.org/10.1038/s41598-024-58037-1 ↩
Donner, J. et al. (2018). Frequency and distribution of 152 genetic disease variants in over 100,000 mixed breed and purebred dogs. PLOS Genetics. ↩
VDH (2021). VDH-Strategie zum Umgang mit autosomal-rezessiven Erbkrankheiten. www.vdh.de ↩